Ist der add-e überhaupt erlaubt?

Auf dieser Seite will ich einige Missverständnisse ausräumen, die man oft in Gesprächen mit Fahrradhändlern hört. Klar ist, dass sie die ebike-Nachrüstsätze schlecht reden, da sie als Konkurrenz gesehen werden. Immerhin verkaufen sie lieber ihre eigenen E-Bikes. Dann wird schon mal das Märchen erzählt, es sei sogar illegal, sich einen Nachrüstsatz zu montieren, weil diese keine CE-Zulassung hätten…. usw.  

Gliederung:

  1. Konkrete Fragen
  2. Die Rolle des Händlers, wie z.B. „easy-ebike“

1. Hier ein paar konkrete Antworten auf konkrete Fragen:

1.1 Benötige ich in Deutschland eine sog. „CE“-Kennzeichnung für den add-e?
Nein, aber add-e ist dennoch mit CE gekennzeichnet und wird nach den entsprechenden Normen gebaut.

1.2 Der Fahrradhändler, bei dem ich mein Rad gekauft habe, weigert sich, mein Rad zu reparieren oder eine Inspektion durchzuführen. Was kann ich tun?
– Einfach vorher den Akku und den Antrieb abnehmen. DAS geht ja blitzschnell.
– Es spricht nichts dagegen, das Fahrrad auch mit montiertem Antrieb zu einer Inspektion zu geben. Für eine Weigerung, an einem nachgerüsteten Rad einen Service durchzuführen, gibt es keinen Grund.
– Rede mit dem Fahrradhändler, notfalls mit dem Chef, und kläre ihn darüber auf, dass ein Nachrüstsatz nichts Illegales ist.
– Was soll ein ebike-Nachrüstsatz z.B. mit dem Einstellen der Schaltung zu tun haben?

!!! Vergessen wir eines nicht:
Ein ebike muss laut Straßenverkehrszulassung in Deutschland bei 25 km/h abregeln. Höhere Geschwindigkeiten sind jedoch auch darüber hinaus möglich, wenn ich z.B. einen Berg hinunter fahre, kann ich schon schnell bei 50 Sachen sein. Dann unterstützt mich ein Anbausatz schon lange nicht mehr.
LOGIK?

1.3 Verliert ein noch relativ neues Rad die Garantie bzw. Gewährleistung, wenn ein add-e angebaut wird?
Nein, der Antrieb kann vollständig und rückstandsfrei wieder abgebaut werden. Er ist somit zu 100% reversibel und lässt sich eher mit dem Anbringen von Beleuchtung und Schutzblechen am Fahrrad vergleichen als mit dem klassischen e-Umbau, bei dem ganze Baugruppen, z.B. am Hinterrad, getauscht werden. Die verwendeten Montagepunkte sind genormt und für wesentlich höhere Belastungen ausgelegt.
Entscheidend ist ja die Kraft auf den Rahmen und die ist z.B. im Wiegetritt um ein vielfaches „bösartiger“ als der gleichmäßig unterstützende add-e Motor. Von einem echten Mehrgewicht kann man bei add-e ja auch nicht sprechen.

2. Nun geht es um die Rolle des Händlers:
Im Folgenden habe ich das Interview mit Dr. Kapoor von der international agierenden Kanzlei Noerr LLP in München mit dem emobiljournal kurz zusammengefasst:

Das komplette Interview ist als download ganz unten verfügbar.

emobiljournal: Die bei Verbrauchern enorm beliebte Nachrüstung von Elektroantrieben für Fahrräder steht in letzter Zeit rechtlich im­ mer wieder unter Beschuss. Teilweise wird behauptet, Nachrüstlösungen seien illegal. Zu Recht?

Dr. Kapoor Nein. … Produkte sind nur dann illegal, wenn der Gesetzgeber ihren Vertrieb verbietet. Dies ist weder für fabrikneue E-Bikes der Fall, noch für solche, die durch nachträgliche Montage eines Antriebssystems entstehen. Es bestehen also grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken, wenn ein Verbraucher sein Lieblingsrad zum E-Bike aufrüsten möchte.

Insbesondere Fahrradhändler haben Sorge, mit der Montage von nachrüstbaren Elektroantrieben unübersehbare Risiken einzugehen oder sich sogar strafbar zu machen. Ist diese Sorge wirklich unbegründet?

Dr. Kapoor: Ja, diese Sorge ist in aller Regel unbegründet. Der Einbau eines Nachrüstantriebes ist weder strafbar noch bringt er für den Händler nennenswerte Produkthaftungsrisiken mit sich.

Wie kann der Händler sicherstellen, dass das Fahrrad mit dem von ihm verbautem Antriebssystem hinreichend sicher ist. Der Händler hat ja weder das Fahrrad, noch das Antriebssystem vor der Montage an das Fahrrad getestet?

Als Händler muss und kann er sich im Normalfall darauf verlassen, dass Produkte, die er von Herstellern bezieht, die diese Produkte getestet haben, hinreichend sicher sind. …

Ein Restrisiko für den Händler besteht deshalb allenfalls dort, wo der Einbau des Antriebssystems für sich betrachtet Risiken mit sich bringt, die weder der Hersteller des Antriebssystems, noch der Hersteller des Fahrrads berücksichtigt haben. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Händler grobe Montagefehler macht oder die Montage an einem ersichtlich ungeeigneten Fahrrad vornimmt.

Wie sieht es mit den Risiken für den Händler aus, wenn der Motor an ein gebrauchtes Fahrrad montiert wird? Wie kann der Händler in dieser Konstellation wissen, dass das Fahrrad noch allen Anforderungen entspricht, auf die es in neuwertigem Zustand getestet wurde?

Rechtlich spricht grundsätzlich auch nichts dagegen, ein Antriebssystem nachträglich an einem gebrauchten Fahrrad zu montieren.

Seit kurzem gibt es mit der DIN EN 15194:2017 eine neue E­Bike­Norm. Spätestens seit Inkrafttreten dieser Norm sei der Einbau von Nachrüstsystemen verboten, heißt es immer wieder einmal im Markt. Ist das so richtig?

Nein. Die Antriebssysteme seriöser Hersteller entsprechen selbstverständlich allen Vorgaben der von Ihnen genannten Norm. … Bei der genannten technischen Norm handelt es sich um eine technische Spezifikation eines Normungsgremiums und nicht etwa um ein Gesetz. Niemand, kein E-Bike-Hersteller und kein Händler ist verpflichtet, die Vorgaben einer technischen Norm einzuhalten. Solche Normen werden in erster Linie durch die Industrie geschaffen, die dabei natürlich bestimmte Interessen verfolgt.

Die höheren mechanischen Anforderungen der E­Bike­Norm ergeben sich aber doch sicher daraus, dass normale Fahrräder, wenn sie mit Antriebssystemen nachgerüstet werden, viel höheren Belastungen ausgesetzt sind und es deshalb häufiger zu Unfällen kommt, oder?

Eben nicht. … Es gibt de facto keine Unfälle mit E-Bikes, die ihre technische Ursache in der Nachrüstung herkömmlicher Fahrräder mit entsprechenden Antriebssystemen bzw. auf mangelnde mechanische Eignung solcher Fahrräder zurückführen ließen. Unfälle mit E-Bikes sind in nahezu allen Fällen auf menschliches Versagen im Verkehrsgeschehen zurückzuführen.

Denn: Anders als manche vermeintliche Branchenkenner, möchte der Gesetzgeber nachträglich verbaute Antriebssysteme in keiner Weise diskriminieren.

Und woher weiß der Fahrradhändler, welche Kennzeichnungen und Unterlagen im Einzelfall benötigt werden?

Die seriösen und marktführenden Hersteller solcher Antriebssysteme unterstützen die Händler hier umfassend. Sie erläutern ihren Kunden genau, was zu tun ist und stellen die erforderlichen Kennzeichnungen sowie die aufzubewahrenden Unterlagen von sich aus zur Verfügung.

Händler stehen also nicht mit einem Bein im Gefängnis oder vor dem finanziellen Ruin, wenn sie die gängigen elektrischen Antriebssysteme verbauen?

Aber nein, mitnichten. Wer die Instruktionen seriöser Antriebssystemhersteller befolgt und das betroffene Fahrrad vor der Montage einem entsprechenden Check unterzieht, ist auf der sicheren Seite. Strafrechtlich
relevant sind ausschließlich
vorsätzliche Verstöße gegen
die Maschinenrichtlinie. Und 
das auch nur dann, wenn
 solche vorsätzlichen Verstöße beharrlich wiederholt
 werden, oder wenn durch 
solche vorsätzlichen Verstöße konkret das Leben oder
 die Gesundheit von Personen gefährdet wird. Ein seriös arbeitender Händler, der mit der gebotenen Sorgfalt ein Antriebssystem eines renommierten Herstellers verbaut, ist hiervon weit entfernt.

Vita:

Dr. Arun Kapoor

Rechtsanwalt Dr. Arun Kapoor ist auf die Bereiche Produkthaftung und Produktsicherheitsrecht bei der Kanzlei Noerr LLP spezialisiert.Zu seinen Mandanten gehören national und international agierende Unternehmen verschiedener Branchen sowohl aus dem Konsum- als auch aus dem Investitionsgüterbereich. Dr. Kapoor berät Produktion und Handel in sämtlichen Fragen der Produkthaftung, der Product Compliance und der technischen Produktregulierung. Er vertritt Industriemandanten gerichtlich und außergerichtlich in haftungs- rechtlichen Streitigkeiten sowie in produktbezogenen Verwaltungs- verfahren gegenüber deutschen und europäischen Behörden. Darüber hinaus verfügt er über umfangreiche Erfahrung in der Konzeptio- nierung und Abwicklung internationaler Produktrückrufe sowie in der rechtlichen Begleitung produktbezogener Krisensituationen.

Download des gesamten Interviews hier.